Freitag, 7. Dezember 2012

Nachtrag: Ansichten zum deutschen Rüstungsexport (1)

Vor zwei Tagen hatte ich hier eine kleine Auswertung des deutschen Rüstungsexports vorgenommen, in dem ich zu dem Schluss gelangte, dass der Export in Staaten der arabischen Welt gegenüber dem Vorjahr stark zugenommen hatte, während die Rüstungsausfuhren in europäische Länder rückläufig waren. Guter Journalismus sollte Meinung und Bericht klar voneinander trennen, daher beschränkte ich mich zunächst auf die Darstellung der Fakten und enthielt ich mich einer Bewertung. Diese will ich nun mit diesem Artikel nachreichen.

In dieser Woche veröffentlichte Der Spiegel eine Cover-Story zum deutschen Waffenexport, die wie zu erwarten kritisch ausfiel. Die Bundesregierung wurde darin beschuldigt, die instabile arabische Krisenregion mit ihren Waffenexport weiter zu destabilisieren und wissentlich den Einsatz von Kriegswaffen gegen die eigene Bevölkerung der dortigen autokratischen Regime in Kauf zu nehmen.
Dabei argumentiert der Spiegel - neben der typisch deutschen Erinnerung der eigenen Leser, dass Kriegswaffen für den Krieg eingesetzt werden - vor allem mit der Tatsache, dass im Nahen und Mittleren Osten neben Israel kein einziger liberal-demokratischer Verfassungsstaat vorzufinden sei, und dass man autokratische Staaten nicht unterstützen dürfe, nicht, weil sie keine verlässlichen Partner seien, sondern, weil sie eben autokratisch sind.

Diese Position ist typisch für die Doppelmoral und die Kurzsichtigkeit deutscher Eliten in Rüstungsfragen und Machtfragen allgemein. Während andere autokratische Regime wie beispielsweise die Zivildiktatur in Singapur, Putins Russland, oder das staatskapitalistische China offenbar frei deutsche Waffen erwerben können, stellen die Waffenlieferungen an autokratische Regime im arabischen Raum plötzlich ein Problem dar.

Man könnte nun damit argumentierten, dass der Unterschied zwischen China und Saudi-Arabien darin läge, dass in Saudi-Arabien die geopolitische Situation weitaus angespannter ist und die Wahrscheinlichkeit eines - wie auch immer gearteten - bewaffneten Konflikts ungleich höher sei, als bei anderen autokratischen Staaten. Zum einen ist dieses "gefühlte Konfliktpotential" bzw. die "gefühlte Stabilität" anderer autoritärer Staaten eben genau das - nur ein Gefühl, das einer Faktenprüfung nicht standhält. Denn während Russland 2008 Panzer in georgisches Hoheitsgebiet schickte, war Saudi-Arabien seit den Golfkriegen in keinerlei militärische Konflikte verwickelt. Selbst während der Golfkriege bestand die Beteiligung des Landes, ähnlich der deutschen Haltung, eher in Scheckbuchdiplomatie als echter Teilnahme an Kampfeinsätzen.

Die Ausgestaltung des politischen Systems ist per se kein Argument für oder gegen Waffenlieferungen, es kann immer nur ein Argument von vielen sein. Weitaus wichtiger wäre die Frage nach den deutschen Interessen, welche diesen Entscheidungen zugrundeliegend.

Im Jahr 2011 wurde der souveräne Staat Libyen durch ein militärisches Bündnis - bestehend aus Frankreich, Großbritannien und den USA - angegriffen und innerhalb weniger Tage zur Kapitulation gezwungen. Damals erkannte die Bundesregierung richtigerweise, dass es nicht in deutschem Interesse sein kann, wenn die Riege verlässlicher autokratischer Mittelmeeranrainerstaaten plötzlich durch ein gigantisches islamisches Pulverfass ersetzt wird, welches weder durch die Amerikaner noch durch die EU in irgendeiner Form wirksam kontrolliert werden kann und welches der Festung Europa ein Heer arbeitssuchender Kriegsflüchtlinge bescheren würde, die ihre Nachbarstaaten weiter destabilisierten. 

Damals hoffte man in Washington auf die unwiderstehliche Verlockung der Freiheit und erkannte zu spät, dass man in Wahrheit Salafisten und Muslimbrüdern Tür und Tor geöffnet hatte, eine Entwicklung, die gegenwärtig in Ägypten in aller Pracht beobachtet werden kann. Der Versuch, islamisch geprägten Ländern ohne pluralistische und humanistische Traditionen Demokratie beizubringen, muss als gescheitert gelten, wenn selbst in einem so "westlichen" arabischen Land wie Ägypten bis heute Militärs und Islamisten die Macht in Händen halten.

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Warum aber sollten nun ausgerechnet Algerien, Saudi-Arabien oder Ägypten in den Genuss deutscher Waffenlieferungen kommen? Welche anderen Faktoren spielen bei der Beurteilung der Vergabe eine Rolle? Über diese Themen will ich im zweiten Teil dieses Kommentars eingehen - nebst einer Anmerkung zu Israel.

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