Montag, 26. November 2012

Deutschland in Europa: Geopolitische Aspekte der Euro-Krise

Deutschland findet sich zurzeit in einer bemerkenswert starken geopolitischen Position wieder, einer Position, welche die Eliten ironischerweise niemals aktiv angestrebt hatten.  Die amerikanische Frage: "Who do I call, if I want to call Europe?" scheint gegenwärtig beantwortet, man ruft Deutschland an, besser gesagt die Bundeskanzlerin. Doch welche Ursachen stehen hinter dieser starken geopolitischen Aufwertung Deutschlands, und welche Rolle spielt dabei die Euro-Krise?

Zur Einstimmung und Auffrischung rund um das Thema "Euro-Krise" und die gegenwärtige weltwirtschaftliche Lage mag dieses kleine Video einen Beitrag leisten:



Deutschland hatte bis zur Euro-Krise bei nahezu vollständiger Zinskonvergenz der Renditen europäischer Staatsanleihen zu den großen Euro-Verlieren gehört (siehe beispielsweise Hans Werner Sinn in diesem Vortrag ab min. 20). Wer behauptet, Deutschland hätte wie kein anderes Land bisher von der Einführung des Euros profitiert, kennt die Zahlen nicht.

Ich möchte in diesem geopolitischen Blog nicht zu tief in die gesamtwirtschaftliche Analyse einsteigen, jeder möge selbst die Handelsanteile Deutschlands mit der Euro-Zone vor und nach der Einführung der gemeinsamen Währung vergleichen. Fest steht: die Lohnentwicklung war in Deutschland im Vergleich zum europäischen Durchschnitt vor der Euro-Krise deflationär, die Arbeitnehmer mussten in dieser Zeit eine Reallohnschrumpfung hinnehmen, die Südschiene konnte sich aufgrund des billigen Euro-Geldes einen Boom nach dem anderen finanzieren, während Deutschland als "kranker Mann Europas" abgehängt schien.

Doch dann kam die Euro-Krise. Die Zinskonvergenz wurde durch die Kapitalmärkte faktisch aufgehoben, während Deutschland gegenwärtig beinahe Negativzinsen für die Emission zweijähriger Staatsanleihen erwarten kann, muss Portugal für den selben Zeitraum 4,17% Zinsen an den Märkten bezahlen.

Zudem findet in der Südschiene im Moment eine gewaltige Kapitalflucht statt. Große europäische Bankhäuser ziehen in enormem Umfang Kapital aus Italien, Griechenland, Portugal und Spanien ab und transferieren dieses Kapital in den sicheren Hafen Deutschland. Dieses Kapital war maßgeblich am bis vor wenigen Monaten beobachtbaren Wirtschaftsboom in Deutschland nach der Krise beteiligt.

Austeritäs- und Sparprogramme, durch die deutschen Verhandlungsführung durchgesetzt, tun nun ihr übriges zur endgültigen wirtschaftlichen Zerstörung der Euro-Südländer. Aus Partnern und politisch gleichgesinnten Nationen wurden Schuldner und Gläubiger, mit Deutschland am längeren Hebel. Und während in Frankreich die Arbeitslosigkeit bei rund 10% verharrt und in Großbritannien die Industrieproduktion weiter sinkt, steht Deutschland wirtschaftlich so gut da, wie nie seit dem Fall der Mauer.

Die Eurokrise bewirkte, dass wirtschaftliche Stärke direkt in politische Stärke transferiert werden konnte und von diesem Paradigmenwechsel profitiert vor allen anderen Deutschland, dieser ehemals politische Zwerg.

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