Vor zwei Tagen hatte ich hier eine kleine Auswertung des deutschen
Rüstungsexports vorgenommen, in dem ich zu dem Schluss gelangte, dass der
Export in Staaten der arabischen Welt gegenüber dem Vorjahr stark zugenommen
hatte, während die Rüstungsausfuhren in europäische Länder rückläufig waren.
Guter Journalismus sollte Meinung und Bericht klar voneinander trennen, daher
beschränkte ich mich zunächst auf die Darstellung der Fakten und enthielt ich
mich einer Bewertung. Diese will ich nun mit diesem Artikel nachreichen.
In dieser Woche veröffentlichte Der Spiegel eine Cover-Story zum deutschen
Waffenexport, die wie zu erwarten kritisch ausfiel. Die Bundesregierung wurde
darin beschuldigt, die instabile arabische Krisenregion mit ihren Waffenexport
weiter zu destabilisieren und wissentlich den Einsatz von Kriegswaffen gegen
die eigene Bevölkerung der dortigen autokratischen Regime in Kauf zu nehmen.
Dabei argumentiert der Spiegel - neben der typisch deutschen Erinnerung der
eigenen Leser, dass Kriegswaffen für den Krieg eingesetzt werden - vor allem
mit der Tatsache, dass im Nahen und Mittleren Osten neben Israel kein einziger
liberal-demokratischer Verfassungsstaat vorzufinden sei, und dass man
autokratische Staaten nicht unterstützen dürfe, nicht, weil sie keine
verlässlichen Partner seien, sondern, weil sie eben autokratisch sind.
Diese Position ist typisch für die Doppelmoral und die Kurzsichtigkeit
deutscher Eliten in Rüstungsfragen und Machtfragen allgemein. Während andere
autokratische Regime wie beispielsweise die Zivildiktatur in Singapur, Putins
Russland, oder das staatskapitalistische China offenbar frei deutsche Waffen
erwerben können, stellen die Waffenlieferungen an autokratische Regime im
arabischen Raum plötzlich ein Problem dar.
Man könnte nun damit argumentierten, dass der Unterschied zwischen China
und Saudi-Arabien darin läge, dass in Saudi-Arabien die geopolitische Situation
weitaus angespannter ist und die Wahrscheinlichkeit eines - wie auch immer
gearteten - bewaffneten Konflikts ungleich höher sei, als bei anderen autokratischen
Staaten. Zum einen ist dieses "gefühlte Konfliktpotential" bzw. die
"gefühlte Stabilität" anderer autoritärer Staaten eben genau das -
nur ein Gefühl, das einer Faktenprüfung nicht standhält. Denn während Russland
2008 Panzer in georgisches Hoheitsgebiet schickte, war Saudi-Arabien seit den
Golfkriegen in keinerlei militärische Konflikte verwickelt. Selbst während der
Golfkriege bestand die Beteiligung des Landes, ähnlich der deutschen Haltung,
eher in Scheckbuchdiplomatie als echter Teilnahme an Kampfeinsätzen.
Die Ausgestaltung des politischen Systems ist per se kein Argument für oder
gegen Waffenlieferungen, es kann immer nur ein Argument von vielen sein.
Weitaus wichtiger wäre die Frage nach den deutschen Interessen, welche diesen
Entscheidungen zugrundeliegend.
Im Jahr 2011 wurde der souveräne Staat Libyen durch ein militärisches
Bündnis - bestehend aus Frankreich, Großbritannien und den USA - angegriffen
und innerhalb weniger Tage zur Kapitulation gezwungen. Damals erkannte die
Bundesregierung richtigerweise, dass es nicht in deutschem Interesse sein kann, wenn
die Riege verlässlicher autokratischer Mittelmeeranrainerstaaten plötzlich
durch ein gigantisches islamisches Pulverfass ersetzt wird, welches weder durch
die Amerikaner noch durch die EU in irgendeiner Form wirksam kontrolliert
werden kann und welches der Festung Europa ein Heer arbeitssuchender
Kriegsflüchtlinge bescheren würde, die ihre Nachbarstaaten weiter
destabilisierten.
Damals hoffte man in Washington auf die unwiderstehliche Verlockung der
Freiheit und erkannte zu spät, dass man in Wahrheit Salafisten und
Muslimbrüdern Tür und Tor geöffnet hatte, eine Entwicklung, die gegenwärtig in
Ägypten in aller Pracht beobachtet werden kann. Der
Versuch, islamisch geprägten Ländern ohne pluralistische und humanistische
Traditionen Demokratie beizubringen, muss als gescheitert gelten, wenn selbst
in einem so "westlichen" arabischen Land wie Ägypten bis heute
Militärs und Islamisten die Macht in Händen halten.
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Warum aber sollten nun ausgerechnet Algerien, Saudi-Arabien oder Ägypten in
den Genuss deutscher Waffenlieferungen kommen? Welche anderen Faktoren spielen
bei der Beurteilung der Vergabe eine Rolle? Über diese Themen will ich im
zweiten Teil dieses Kommentars eingehen - nebst einer Anmerkung zu Israel.
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